Es war einmal ein Lattenzaun
mit Zwischenraum hindurchzuschaun‘…
So lauten die ersten beiden Verse des Gedichts, das von der Klasse 5.1 der Schule am Museum Schwabach rhythmisch-szenisch umgesetzt wurde. Rund zwei Wochen studierte die Klasse gemeinsam mit ihren Lehrkräften Dr. Katharina Novotný und Micha Seifert ihre Choreografien sowie die Texte zum Stück ein. Adaptiert wurde dabei nicht nur der Originaltext des Gedichts, sondern auch szenische Textelemente und rhythmische Sprechverse. Ihren Höhepunkt erfuhr die künstlerische Arbeit der Schülerinnen und Schüler mit der Video-Aufnahme des fünfminütigen Sprechstücks auf der Bühne des Theaters Mummpitz in Nürnberg.
Das Gedicht
Der deutsche Dichter Christian Morgenstern (1871-1914) ist bekannt für seine skurrile Dichtkunst. Sein 1905 erschienenes Gedicht „Der Lattenzaun“ stellt einen Höhepunkt seines grotesk-komischen Werkes dar: Ein Architekt nimmt die Zwischenräume aus einem Lattenzaun, der daraufhin aufgrund seines fürchterlichen Aussehens eingerissen wird. Der Architekt kann durch seine Flucht nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Die Adaption
Im Sprechstück baut sich ein Konflikt zwischen einem Lattenzaun und dessen Zwischenräumen auf, bis ein Architekt die Zwischenräume entfernt. Der Lattenzaun, der sich zunächst über seinen vermeintlichen Sieg über die Zwischenräume freut, bemerkt schnell, dass er seine Daseinsberechtigung ohne seine Zwischenräume verliert. Er erkennt, dass es ihn ohne Zwischenraum nicht geben kann und akzeptiert seinen Zwischenraum als sein Gegenstück und als ebenbürtigen Anteil seines Daseins.
Während Morgensterns Gedicht in seiner Adaption nicht an Skurrilität verliert, gibt es einen Hinweis auf die Bedeutung von Zwischenräumen. Das Sprechstück interpretiert diese als eigene bedeutsame Zwischenwelten. Als essenzielle Gegenspieler zur Materie bilden Zwischenwelten (oder auch Zwischenräume) die Grundlage für Raum und Gestalt.
Die Auseinandersetzung mit dem Gedicht-Text auf einer spielerischen-theatralen Ebene machte den Kindern einerseits große Freude andererseits wurde auch die inhaltliche Auseinandersetzung sichtbar: Auf dem Weg zur Aufnahme im Theater entdeckten die Schüler*innen plötzlich überall Zwischenräume. Oder wie es der „Architekt“ schließlich ausdrückte: „Eigentlich ist ja die ganze Luft irgendwie Zwischen-Raum“.
Lehrkräfte: Micha Seifert, Dr. Katharina Novotný